Texte, Gedichte und Zitate (2)
Im Nebel
Hermann Hesse
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.
Voll von Freuden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war,
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkle kennt,
Das unentrinnbar und leise.
Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist einsam sein.
Kein Mensch kennt den anderen,
Jeder ist allein.
Septembermorgen
Eduard Mörike
Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen
Rainer Maria Rilke
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.
Zwei Gedichte von Adelheid Ursa Mildenberger
aus ihrem Buch "Herzgesang" (BoD, 2008):
Durchscheinend
nie schöner ist das Licht
und näher meinem Sinn
als wenn es wohnt in dir
und blüht in deinen Farben
dem unsichtbaren Strahl
verleihst du neu Gestalt
erschaffst als Lichtgeschöpf
selbst einen Teil der Welt
und kommt auch bald die Nacht
mit ihren tausend Schatten
dein leuchtendes Gesicht
behält stets Gültigkeit
im kahlen Dorngeäst
schwebt noch der Rose Bild
und in der Puppe schläft
ein neuer Schmetterling
Schläft ein Lied
eine Blüte
von Licht erfüllt
leuchtet
seidenflügelzart
in die Welt
und trägt ein Geschenk
treu im Herzen
ihre Heilkraft ihr Lied
ein Mensch
von Liebe erfüllt
strahlt leise in die Welt
erleuchtet zu kostbaren Wesen
die er betrachtet
als stünde er staunend
am Schöpfungsmorgen
neben Gott
und hört
den feinen Grüngesang
K.Onana 2008--- gewidmet Frau Marianne Schauwecker:
Allumfassend
Ich schaue
in meinen
kleinen, feinen
Mikrokosmos
und finde
die tiefe
und allumfassende
Liebe zu
der gesamten
Schöpfung.
hautlos
in den hautlosen nächten
in denen sich auch die sanftesten landschaften einbrennen
und der leiseste wind zum orkan wird
klagt vor dem fenster ein vogel
tastend suche ich nach wegen und
befestige die straße mit worten
carola
einsamkeit
glotzt mich an
von bebilderten wänden.
sitzt mit auf beinharten stühlen.
legt sich neben meinen schlaf.
alle versuche
sie heimisch zu machen
scheitern kläglich.
sie läßt sich nicht becircen.
Ilona Kofler
Spätherbst 2011
Überflutung
zu hoch die Welle
die mich über-welt-igt
unverstanden
mein tiefes empfinden
ich höre sie
deine stillen hilferufe
unausgesprochen
zwischen den zeilen
suche dir
einen weichen platz
zum fallen
wenn die erinnerung kommt
Rebecca Burkhalter
Letztes Update: 3.8.2021