Unsere Erde - ein Lern-Planet
- Erwartungshaltung
- Lernhaltung
- Das Leben selbst ist unser Lehrer
- Beispiele
Erwartungshaltung oder Lernhaltung?
Warum wir hier auf dieser Erde leben, können wir nicht mit absoluter Sicherheit beantworten. Aber wir können unser Leben entscheidend vereinfachen, wenn wir alles, was wir erleben und oft auch erleiden, als Lernmöglichkeit betrachten und davon ausgehen, dass Lernen nicht nur zum körperlichen Überleben, sondern auch für unsere seelische und geistige Entwicklung 'lebens-wichtig' ist. Da viele Menschen "Lernen" mit Schulaufgaben, Langeweile, Zwang oder "Büffeln" assoziieren: In diesem Kapitel ist Lernen in einem viel weiteren Kontext gemeint: Es geht um die grundlegende Frage unserer Einstellung dem Leben gegenüber.
Erwartungshaltung
In der Kindheit war ich überzeugt, dass alles, was in meinem Leben schwierig verlaufen war, 'falsch' sei und mich 'zu Unrecht' leiden liess. Und ich erwartete - und las dies auch in meinen Kinderbüchern, dass alles irgendwann "gut" werden muss: "Ende gut, alles gut".
Diese Erwartungshaltung kennen viele von uns. Und doch sind uns alle Erwartungen, die wir hegen (an Partner, Eltern, Politiker, Gesundheit, Wetter, materielle Werte, Job... und meistens auch an uns selbst!) oft nicht einmal bewusst. Und darum realisieren wir auch nicht, dass Erwartungen und Ansprüche an das Leben eine sehr blockierende Wirkung haben können: Erfüllen sie sich nicht - und wie häufig ist dies der Fall! - kennen wir Reaktionsweisen wie Enttäuschung, schlechte Laune oder Wut bis hin zu Ängsten, depressiven Verstimmungen oder einem generellen Widerstand dem Leben gegenüber: "Dann eben nicht. Es hat ja alles keinen Sinn..."
Es lohnt sich, einmal bewusst zu reflektieren, was hohe Erwartungen und Vorstellungen, wie das Leben zu sein hat, bewirken: Das Wort "vor-stellen" zeigt dies sehr schön: wir stellen unsere Erwartungen vor das, was wirklich ist. Auch das Wort "er-warten" ist aufschlussreich: wir warten - meist passiv - auf die Erfüllung unserer Wünsche.
Es ist von höchster Wichtigkeit, ehrlich zu konstatieren, durch welche "Brille" wir das Leben betrachten: Menschen, die viele Erwartungen und Vorstellungen pflegen - oder die ihr Leben aus einer Opferhaltung heraus betrachten, erleben mehr Enttäuschung und Leiden als Menschen, die das Leben im "jetzigen Moment" akzeptieren und sich nicht als Opfer, sondern als Lernende in einer fortwährenden "Lebensschule" sehen.
Erwartungen stehen uns nämlich vor der Erfahrung von Zufriedenheit und Erfüllung. Wenn sie sich erfüllen, ist das zwar super, - aber die nächsten Wünsche und Erwartungen stehen schon wieder vor der Tür. Zudem halten uns Erwartungen auch vom Präsentsein in der Gegenwart ab.
Erwartung erzeugt also oft Leiden und Frust. Würden wir weniger erwarten, könnten uns schwierige Lebensphasen weniger erschüttern. Sie wären zwar auch unangenehm, traurig, belastend..., vielleicht sogar tief traumatisch, würden aber einfach zum Leben auf dieser "verrückten Erde" dazu gehören und trotz allem immer auch wieder eine Chance für neue Schritte der Veränderung beinhalten.
Kurz zusammen gefasst: Ständige Erwartungen an das Leben lassen uns symbolisch "im Lebens-Wartezimmer" das Glück "er-warten", das doch selten so eintrifft, wie wir es uns "vor-gestellt" haben. Ein Teufelskreis.
Lernhaltung
Dieser Satz - in einem Vortrag gehört - hat bei mir ins Schwarze getroffen und mir geholfen, meine Erwartungshaltung dem Leben gegenüber vermehrt zu reflektieren.
Was geschieht, wenn wir unsere alte Anspruchs- und Erwartungshaltung an das Leben Schritt für Schritt ersetzen durch eine Lernhaltung dem Leben gegenüber? Es ist ein total anderer "Lebens-Ansatz", wenn ich mich in schwierigen Lebensphasen frage "was will das Leben mich jetzt lehren, was muss ich lernen? Wohin führt es mich?" - anstatt daran zu verzweifeln, fatalistisch und resigniert alles hinzunehmen - oder andere für mein Unglück verantwortlich zu machen.
Hier ein paar Punkte zur Reflexion, zum selber Erforschen:
- Der richtige Ort und die richtige Zeit, meine Erwartungen zu überdenken, ist hier und jetzt: In der Lernhaltung liegt als Basis die Erkenntnis, dass das Leben mich heute genau an den "richtigen Punkt" geführt hat, an welchem optimale Einsichten für mich möglich sind, auch wenn die Situation mir vielleicht äusserst negativ vorkommt. Habe ich zum Beispiel Angst (oder bin ich zu bequem?), mich einmal kräftig durchzusetzen? Dann ist jetzt vielleicht die Gelegenheit, dies mutig hier und jetzt zu üben und alte Reflexe zu überwinden.
Fassen wir doch den Mut, uns nicht mehr als Opfer der Umstände zu sehen, sondern Schritt für Schritt zu erforschen, was in der jeztigen Situation zu tun ist und was unser persönliches Lernziel sein muss. Und scheuen wir uns nicht, Hilfe anzunehmen, wenn wir den Weg alleine nicht finden. Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Vielleicht habe ich ja eine zu grosse Panik, mich kräftig durchzusetzen und verfalle in einen Lähmungszustand. In so einem Fall finde ich heraus - vielleicht auch mit therapeutischer Hilfe, dass dieser Panik eventuell ein traumatisches Kindheitserlebnis zugrunde liegt. Und das wachsende Bewusstsein kann mir mit der Zeit helfen, solche alten Ängste zu überwinden.
Bleibt man konsequent auf diesem Weg des Erkennens, Akzeptierens und Weitergehens, muss man sich nicht wundern, wenn sich plötzlich eine Lösung nach der andern einfach ergibt.
- "Ich weiss, dass ich nichts weiss" (der Spruch wird Sokrates zugeschrieben): Menschen mit hohen Erwartungen gehen davon aus, immer zu wissen, was gut für sie wäre (oft auch für ihre Mitmenschen und manchmal sogar für die ganze Welt).
Demgegenüber gehen Menschen auf dem nicht endenden Lernweg davon aus, dass sie nicht schon alles wissen - nicht einmal über sich selber - und dass auch alte Wissens-Inhalte aus vergangener Zeit sich immer wieder verändern und neu gestalten können. - Angst und Kontrolle: Wenn wir zu den Menschen gehören, die "alles schon wissen", vor allem auch, was "gut für sie ist" und was sie vom Leben zu erwarten haben, sollten wir uns sorgfältig fragen, woher diese Einstellung kommt. Häufig sind frühe Ängste, Traumata und negative Erfahrungen daran Schuld, dass man dem Leben nicht neugierig und unvoreingenommen begegnen und immer wieder mutig neue Schritte wagen kann. Angst hängt auch mit Kontrolle zusammen: Vorstellungen und Erwartungen können wir gut kontrollieren, das Altbekannte gibt uns das Gefühl von Sicherheit. Neues macht uns Angst, wir haben es nicht "im Griff". In Tat und Wahrheit haben wir aber auch ohne unsere Illusionen von Sicherheit und Kontrolle herzlich wenig im Griff...
- Erkennen wir Lernpunkte in unserem Leben? Geraten wir zum Beispiel immer wieder an "falsche" Partner oder Partnerinnen, so dass die Beziehung nach kurzer Zeit wieder scheitert? Mit einer Erwartungshaltung resignieren wir jedes Mal tiefer, da es "die Richtige" oder "den Richtigen" für uns nicht zu geben scheint. Mit einer Lernhaltung fragen wir uns (Beispiele): Was muss ich lernen, damit ich nicht immer wieder an den "falschen Menschen" gerate? Und was lehren mich diese "falschen" Partner - was müsste ich ändern? Was suche ich eigentlich in einer Beziehung - und was bekomme ich tatsächlich? Stelle ich mir selber immer wieder eine Falle? Oder bin ich zutiefst gar nicht für eine Beziehung bereit, weil ich (noch) keine Nähe zulassen kann? (Manchmal braucht die Klärung solcher Fragen therapeutische Begleitung, damit man nicht ständig "um sich selber kreist", sondern Lösungen finden kann.)
- Lernpunkte entstehen oft durch Lernwunden (nach Sabetti): Lernpunkte zu erkennen führt uns oft in unsere Vergangenheit. Haben wir zum Beispiel als kleine Kinder gelernt, nur geliebt zu werden, wenn wir brav und leistungsorientiert waren? Oder hat uns Nähe eigentlich furchtbar geängstigt, weil wir sie (auch) als Übergriffe erfahren haben? Solche Punkte sind wichtig, um uns selber zu verstehen und nicht Dinge von uns zu erwarten, die wir gar noch nicht erfüllen können.
- Wichtige Lernpunkte erkennt man oft durch Wiederholungen im Leben: Sie werden uns nicht nur einmal "serviert", sondern kommen als 'Lern- und Lebensbotschaften' immer wieder. Anstatt uns als Opfer dieser wiederkehrenden Situationen zu erleben (z.B.: "...schon wieder jemand, der mich schamlos ausnützt......"), sollten wir erforschen, was abläuft, dass uns dasselbe immer wieder geschieht - und was das Leben uns lehren will, um aus Teufelskreisen ausbrechen zu können.
- Hochsensible haben häufig Lernwunden. HSP, die in der Kindheit nicht als solche erkannt und entsprechend verstanden und begleitet wurden, erfahren sich in der Familie, in der Schule, später im Beruf - und ganz generell im Kontakt mit anderen Menschen häufig als "falsch", als unpassend, nicht dazu gehörig, "nicht normal"... Sie lernen dadurch ihre wahre Natur nicht kennen und sind häufig ganz speziell "aufgerufen", im Leben einen Lernweg einzuschlagen, um endlich zu erfahren, was ihre wahre Natur und Bestimmung im Leben ist.
Das Leben selbst ist unser Lehrer
Ein Menschenleben...
Zuerst möchte ich fragen: Was bringt uns eigentlich auf die Idee, vom Leben dauernd glückliche Wendungen und Wohlsein zu erwarten? Werfen wir doch einmal einen Blick auf "das Menschenleben schlechthin": Nur ganz selten verläuft es so, dass man am Ende eines glücklichen, gesunden Lebens befriedigt und schmerzfei die Augen schliesst und sagt: "Wie wunderbar! Alles, was ich erwartet habe, ist in Erfüllung gegangen, jetzt bin ich lebenssatt und bereit, ruhig zu sterben..."
Nein, auf dieser Erde ist enorm viel Leid. Viele erleben Hunger, Krieg, Krisen, Krankheit, Armut, Hunger, Epidemien, Not, Angst, Verlassenheit, Einsamkeit, Depression, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein, Grausamkeit, Wohlstands/Verwahrlosung, Ungerechtigkeit, Übergriffe, Missbrauch, Hass, Terror, Eifersucht, Korruption, Rassismus, Egoismus, Nationalismus, Extremismus, Folter, Mord, Wut, Trauer, Verzweiflung, Elend... Die Liste ist endlos! Dazu kommen Naturkatastrophen, Umweltschäden, Unglücksfälle - und zudem sehr viel Leid, dass wir Menschen uns untereinander oft auf brutalste Weise zufügen. Es gibt ja auch das Sprichwort "Des einen Leid ist des andern Freud"... Und was schliesslich auch noch zu dieser schlimmen und leider unvollständigen Aufzählung gehört - als unsere einzige Sicherheit im Leben: Am Schluss des Menschenlebens erwartet uns das Sterben.
Soll ich noch weiter aufzählen? Lieber nicht... Ausser vielleicht noch, dass hochsensible Menschen "Freud und Leid" besonders intensiv erfahren und sich darum erst recht fragen müssen: Was nützen in einem Menschenleben eine Erwartungshaltung und eine Opferhaltung? Seien wir ehrlich: Gar nichts - ausser Frustration!
--> Da muss man sich doch irgendwann einmal sagen: Auf dieser Erde scheint es um etwas anderes zu gehen als um die Befriedigung unserer Erwartungen!?
Wichtig aber zu erwähnen:
Natürlich gibt es auf dieser Erde viele Schicksale, sogar Kollektivschicksale, deren Erwartungen sich nur ans Überleben und an die Erfüllung ihrer absoluten Grundbedürfnisse richten: zu essen haben, ein Dach über dem Kopf, Arbeit....
Daher möchte ich betonen, dass ich mich in diesem Kapitel an Menschen richte, bei denen diese Grundbedürfnisse erfüllt sind und die daher über weitere Lebensprobleme reflektieren können und auch psychisch in der Lage sind, alte Verhaltensmuster überwinden zu lernen.
Dieses Kapitel ist in Bearbeitung und wird fortgesetzt.
Beispiele
folgen bald
Letzte Durchsicht: 19. Okt. 2024